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Digitales Fachgespräch „Verletzliches Alter – Zum Verhältnis von Vulnerabilität und Resilienz“ mit Prof. Dr. Andreas Kruse

Rund 70 Teilnehmende folgten der Einladung der BaS zum digitalen Fachgespräch mit dem renommierten Gerontologen Dr. Andreas Kruse. Er zeigte eindringlich das Spannungsfeld von Verletzlichkeit und Widerstandsfähigkeit auf und betonte, dass jeder Mensch sich gebraucht fühlen wolle.

In diesem Zusammenhang wies Kruse auf die wichtige Rolle von „sorgenden Gemeinschaften“ hin, wie sie im 7. Altenbericht beschrieben wurden. Seniorenbüros seien Orte, an dem ältere Menschen sich geborgen und gebraucht fühlen könnten. Im anschließenden Erfahrungsaustausch bestätigten die Haupt- und Ehrenamtlichen die Notwendigkeit, diesen Themen Raum zu geben.

Der emeritierte Professor der Universität Heidelberg erklärte in seinem Vortrag, dass sowohl Verletzlichkeit als auch Widerstandsfähigkeit nicht nur im Alter ein Wesensmerkmal der conditio humana, der „Natur des Menschen“ seien. Unter Bezug auf Hannah Arendt verdeutlichte er die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit. So könne eine ganzheitliche Perspektive auf das eigene Leben erreicht und damit auch die Resilienz, die Fähigkeit mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen, gestärkt werden. Dies ist zunächst eine individuelle Entwicklungsaufgabe, die durch biografische Erfahrungen stark vorgeprägt ist. Grob vereinfacht gesagt: Resilienz will gelernt sein. Jedoch sind auch soziale Bedingungsfaktoren wie Einkommen, Bildung oder die Wohnsituation von erheblicher Bedeutung, so Kruse.

Der langjährige Vorsitzende der Altenberichtskommission der Bundesregierung schloss an deren Arbeit an, insbesondere den 7. Altenbericht von 2017. Dieser hatte sich für einen erweiterten „Sorgebegriff“ ausgesprochen, der in Anlehnung an die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum nach den Bedingungen eines guten Lebens fragt. Mit den Rahmenbedingungen für ein gutes Leben im Alter und was Seniorenbüros dafür tun könnten, hatte sich zuletzt auch die 26. Jahresfachtagung der BaS in Regensburg befasst.

Kruse hob die Bedeutung eigener Aktivität vor, die aber im Sinne von gesellschaftlicher Teilhabe den Einzelnen ermöglicht werden muss. Isolation und Einsamkeit von älteren Menschen sowie vorhandenen Chancenungleichheiten in der Gesellschaft müsse politisch entgegengewirkt werden. Wichtig sei, zunächst das Gefühl der sozialen Wahrnehmung und die Möglichkeit, selbst bei vorhandenen Einschränkungen, am Gemeinwesen zu partizipieren. Es brauche jedoch „ein erweitertes Verständnis von Aktivität“, welches sowohl praktische Gestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten als auch die Reflektion über die Bedingtheit und Begrenzungen der menschlichen Existenz umfasst.

Hierfür lokale Orte der Begegnung und Auseinandersetzung anzubieten, sei eine wichtige Rolle von Seniorenbüros. Konkret umgesetzt wird dies z.B. durch Ansätze von Biographiearbeit und die Unterstützung von selbstbestimmtem Engagement der Älteren. Das Angebot zur weiteren gemeinsamen Vertiefung des Themas wurde von den Teilnehmenden begrüßt.

Die Aufzeichnung des Beitrags von Prof. Kruse können Sie hier finden.